#1

Das kleine Gefühl

in Nachdenkgeschichte 18.10.2012 22:35
von Bille • 3.174 Beiträge

Es war einmal ein kleines Gefühl. Dieses Gefühl war ganz neu auf dieser großen Welt und wusste noch gar nicht so recht wer es war, was es war, geschweige denn, wo es hingehörte. Man muss nämlich wissen, dass Gefühle einfach geboren werden, ganz ohne Bestimmung. Erst ganz langsam wachsen sie, gewinnen an Kraft, Stärke und Macht mit der Zeit.

Das kleine Gefühl war ziemlich orientierungslos. Es stolperte durch das was man Leben nennt und beobachtete die vielen anderen Gefühle. Als erstes traf es die Angst. Angst war sehr unruhig immer wieder blickte es hektisch von rechts nach links. "Ich habe keine Zeit für dich kleines Gefühl," sagte es "ich bin auf der Suche nach einem Wesen, bei dem ich mich einnisten kann. Ich muss mir dieses Wesen ganz genau aussuchen, denn ich brauche viel Platz zum bestehen. Wenn ich das Wesen ganz eingenommen habe, ist meine Arbeit getan und ich muss mich sofort auf die Suche nach einem neuen Opfer machen."

Das kleine Gefühl erschrak. Nein, das wollte es nicht. So wollte es nicht sein.

So zog es weiter und versuchte die Angst zu vergessen. Plötzlich kreuzte der Mut den Weg. "Komm mit kleines Gefühl, ich mache dich groß und stark, viel größer und kräftiger als es die Angst je sein wird. Du wirst alle Wesen dieser Welt inspirieren und ihnen zeigen was die Welt kostet, in dir wird soviel Energie wachsen, dass du alles im Leben erreichen kannst. Schau mich an. Ist das ein Bild? Ich bin wer!!!"

Das kleine Gefühl schüttelte nur verständnislos den Kopf und ließ den Mut einfach stehen. Schön, es wäre schon gut mutig zu sein, aber immer und überall alles auf eine Karte setzen? Ohne Rücksicht??? Das gefiel dem kleinen Gefühl nicht. Eine Mischung aus Angst und Mut,..., das wäre für den Anfang nicht schlecht.

Während es darüber nachdachte, fiel ihm, wie aus heiterem Himmel, die Eifersucht vor die Füße. "Hallo, hallo, ich bin die Eifersucht, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft!" Das kleine Gefühl lief so schnell es konnte fort. Es nahm die kleinen Beinchen in die Hand und rannte. "Eifersucht, Eifer sucht, Leiden schafft, Eifer sucht, Leiden schafft..." Nein, nein, Leiden ist nicht schön, Leiden tut weh. Das kleine Gefühl wollte keine Leiden schaffen. Als es ganz aus der Puste war, setzte es sich auf eine Brücke. Es starrte in einen großen Fluss und war ganz verwirrt, es wusste noch nicht, was es einmal sein sollte. Es wuchs bereits, das spürte es wohl. Aber was aus ihm werden würde, das konnte es nicht einmal ahnen.

Inmitten dieser Gedanken bemerkte das kleine Gefühl, dass es nicht mehr alleine war auf der Brücke. Neben ihm hatte sich ein weiteres Gefühl niedergelassen. "Na, bist du auch traurig? Mein Name ist Traurigkeit. Ich bin eines der tiefen Gefühle." Das kleine Gefühl spürte, wie es immer dunkler, kälter und sehr, sehr still um es herum wurde. "Das mache ich", sagte Traurigkeit "und wenn du es nicht aushalten kannst, dann spring doch einfach von der Brücke." Das kleine Gefühl erschrak abermals. Es schaute von der Brücke herunter, stand auf und ging ganz dicht an den Rand heran. Es holte ganz tief Luft, sah der Traurigkeit tief in die schwarzen Augen und sprach:

"Tut mir leid, ich bin nicht mutig genug, ich habe genug Angst in mir um diesen Schritt nicht zu gehen. Ich bin anders. Mach es gut Traurigkeit."

Die Traurigkeit zuckte mit den Achseln und sah dem kleinen Gefühl nach, das mit festen Schritten die Brücke verließ und seines Weges ging.

"Wer bist du?", hörte das kleine Gefühl auf einmal ganz leise eine sehr harte Stimme.
"Ich? ich bin, ich weiß es nicht."
"Aha."
"Und du? Wer bist du?"
"Ich bin der Hass. Man kann mich sehen, hören, spüren, fühlen. Ich beherrsche die Welt. Ich werde geboren um zu vernichten - alles - auch dich, wenn ich will."
"Und, willst du?"
"Hast du keine Angst?"
"Doch, ein wenig!"
"Du bist sehr mutig, kleines Gefühl!"
"Warum? Weil ich mich nicht arg vor dir fürchte? Weil ich nicht eifersüchtig auf deine Macht bin?"
"Du sprichst mit mir. Du lachst mir ins Gesicht, das beeindruckt mich eben!"
"Du Hass, ich muss weiter mich finden, adieu!"

Das kleine Gefühl zog weiter. Auf seinem Weg durch das Leben traf es auch noch viele, andere und unterschiedliche Gefühle. Es begegnete der Gier, der Lust, dem Neid, der Begierde, dem Mitleid, der großen Panik, der Euphorie und noch vielen anderen. Alle für sich sehr interessant, aber das kleine Gefühl fand sich nirgendwo wieder.

Eines Tages dann, das Gefühl war schon sehr müde von der langen Reise, beobachtete es zwei Wesen, die eng umschlungen inmitten einer großen Düne lagen. Die Wesen waren so zärtlich zueinander. Liebevoll ertasteten sie ihre Körper, küssten sich lang und sehr leidenschaftlich und die Welt um sie herum schien nicht mehr zu existieren. Sie führten intensive Gespräche und bei einem hörte das kleine Gefühl ganz besonders gut zu:

"Nein, Zaubermaus! Ich kann es dir nicht beschreiben. Ich kann es nicht in Worte fassen, keine Worte finden. Es ist einfach da. Es ist in mir und wächst jeden Tag, mit jedem deiner Worte, mit jeder deiner Berührungen. Es ist unglaublich schön. Es macht Angst und nimmt sie gleichzeitig. Es gibt Vertrauen. Ich bin eifersüchtig und neidisch auf jeden Menschen, der in deiner Nähe sein darf, wenn ich nicht bei dir sein kann. Es macht mich glücklich und manchmal auch traurig. Es ist alles auf einmal. Ich fühle mich dadurch riesenstark und schneckenklein. Ich habe so viele Schmetterlinge in meinem Bauch. Es ist alles, was mit dir zu tun hat.

Es ist soooooooooooooooooooo schön, aber es ist eben nicht zu beschreiben..."
Liebe..........schoss es dem kleinen Gefühl durch den Kopf. Ich bin die Liebe!!! Ich bin nicht greifbar, nicht wirklich sichtbar aber spür- und lebbar. Ich bin da und mache Wesen glücklich. So wie die beiden dort. "Ich bin die Liebe!!!"

Die Liebe verweilte noch lange Zeit bei den beiden Wesen. Sie wuchs stetig an und in ihr fanden sich fast alle Gefühle wieder, die das Gefühl auf dessen Reise getroffen hatte. Fast alle.


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#2

Das kleine Gefühl und die Angst

in Nachdenkgeschichte 18.10.2012 22:37
von Bille • 3.174 Beiträge

Das kleine Gefühl und die Angst

Lange schon war das kleine Gefühl „Liebe" unterwegs, um neue Eindrücke zu sammeln und alte Freundschaften zu pflegen. Auf seinen Reisen traf es die unglaublichsten Gestalten, die merkwürdigsten Gefühle und erlebte so viel Abenteuerliches, dass „Liebe" Sorge hatte, es könne das alles irgendwann einmal vergessen.

Eines Tages dann, „Liebe" war gerade auf dem Weg eine alte Bekannte zu besuchen, traf „Liebe" ein bekanntes Gefühl, hektisch, nervös, unruhig und keine Zeit. Das war „Angst". Das kleine Gefühl erinnerte sich an die erste Begegnung damals, als es noch gar nicht wusste, wer es war und wo es hingehört:

~...das kleine Gefühl war ziemlich orientierungslos. Es stolperte durch das was man Leben nennt und beobachtete die vielen anderen Gefühle. Als erstes traf es die Angst. Angst war sehr unruhig, immer wieder blickte es hektisch von rechts nach links. "Ich habe keine Zeit für dich kleines Gefühl," sagte es "ich bin auf der Suche nach einem Wesen, bei dem ich mich einnisten kann. Ich muss mir dieses Wesen ganz genau aussuchen, denn ich brauche viel Platz zum bestehen. Wenn ich das Wesen ganz eingenommen habe, ist meine Arbeit getan und ich muss mich sofort auf die Suche nach einem neuen Opfer machen...~

„Hallo Angst! Wir haben uns ja ewig nicht mehr gesehen!" „Ja, ja, hallo, hallo – wir kennen uns? Ja, ja, wer warst du noch gleich? Wer bist du denn bloß? Ja, ja..."
Wie damals auch, war „Angst" furchtbar hektisch und machte eher den Eindruck auf der Flucht zu sein, denn ein nettes Gespräch zu suchen.
„Ich bin´s, Angst, das kleine Gefühl – „Liebe" – kannst du dich nicht mehr an mich erinnern?" „Doch, doch, ja, ja, „Liebe" – du bist „Liebe" – Ja, ja... du warst damals noch auf der Suche. Doch, doch, ich erinnere mich. Wie geht es dir? Was macht die Kunst? Woher kommst du, wohin gehst du?"
„Liebe" versuchte den vielen Fragen der Angst zu folgen, um diese in einer vernünftigen und nachvollziehbaren Reihenfolge zu beantworten. „Soweit geht es ganz gut," antwortete „Liebe" – „...ganz gut. Es ist eben nicht leicht in diesen Tagen. Jeder hat sein Päckchen zu tragen und ich bin sicher, irgendwann wird auch meine Zeit wieder kommen..."
„Liebe" stockte. Was redete es da nur? Sie hatte ein Zuhause? Sie hatte ihr Wesen gefunden, sich in ihm breit gemacht und begleitete es bereits seit vielen Monaten. Was war los? Das kleine Gefühl spürte, wie sich langsam Hektik in ihm breit machte.
Aus unerfindlichen Gründen wurde „Liebe" nervös, schaute immer wieder nach rechts und nach links, nahm die Umgebung kaum noch wahr und empfand nur eine große Kälte um sich herum und in sich selbst.
Wie ein Donnerschlag hörte „Liebe" die vielen chaotischen Worte von „Angst" auf sich einstürmen: „Ganz gut heißt nicht gut. Nicht gut heißt zweifeln. Zweifeln heißt sorgen und Sorgen werden zur Angst. Spürst du es „Liebe"? Ich bin an dir dran. Ich bin in dir drin."

„Liebe" erschrak, die Kälte wurde immer stärker. Das kleine Gefühl fror und konnte kaum noch einen klaren Gedanken fassen. Die Gedanken, die durch den kleinen Kopf sausten waren dunkel, beinahe schwarz und das kleine Gefühl fühlte sich wie in einen Käfig eingesperrt – mit „Angst".„Was tust du? Warum tust du mir das an? Hab ich dir was getan??? Ich bin die „Liebe", ich bin stärker als du. Du kannst mich nicht beherrschen!"

„Bist du sicher? Wo ist deine Stärke? Warum spüre ich sie nicht und warum fürchte ich mich nicht vor ihr? Ich muss dich nicht beherrschen. Ich muss einfach nur bei dir sein. Ich gehöre zu dir. Wir sind abhängig von einander, wie jedes Gefühl in einem gewissen Maß von einem anderen abhängig ist. Zu jeder Liebe gehört in einem gewissen Maß die Eifersucht. Keine Angst kann bestehen, ohne den Gegenpol der Hoffnung, kein Zorn heilen ohne Sanftmut. Verstehst du was ich meine?
Im Augenblick bin ich groß in dir. Du fürchtest dich doch. Du fürchtest dich davor, alles zu verlieren, du fürchtest dich davor, dem Ende näher zu sein, als der Anfang hätte es erahnen lassen. Du hast Angst davor das Richtige zu meinen und das Falsche zu tun. Nicht ich zerstöre sondern du selbst, weil du nichts anderes gelten lässt. Nur weil ich die Angst bin, bin ich doch nicht schlechter als du? Angst ist gut – Angst kann Leben retten – vor falschen Entscheidungen bewahren."
„Aber Angst kann auch zerstören. Zu viel Angst kann zerstören.", stammelte „Liebe"
„Ja, das ist wahr. Aber wer sagt, dass da zu viel Angst in dir ist? Du hast Angst, das Wesen nicht mehr zu erreichen, das dir so wichtig ist, wo du dich geborgen fühlst – in dem zu zuhause bist. Ich bin in dir, weil du diese Distanz spürst und Kälte. Weil du merkst, dass sich was verändert hat und du das nicht einsortieren kannst. sonst hätte ich keinen Platz bei dir? Dir fehlt die Sicherheit. Dir fehlt die Sicherheit und das Wissen, dass du gut bist, so wie du bist. Hey, du bist „Liebe"! Gibt es etwas Schöneres?"

„Liebe" schaute auf und ins Leere. Langsam spürte das kleine Gefühl, wie es wärmer wurde.
„Nein, es gibt nichts Schöneres!"

„Angst" war schon fort, fast. Doch eine kleine Portion würde nun immer mit „Liebe" auf Reisen gehen. „Liebe" hatte gelernt, dass das kleine Gefühl alleine nicht bestehen konnte, sondern immer in Begleitung aller anderen Gefühle sein würde und das kleine Gefühl hatte begriffen, wie wichtig es ist, überhaupt ein Gefühl zu sein!


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